Curator`s Choice II zeigt eine Auswahl von sechs Künstlerinnen und Künstlern, die Florian Schmid zusammengestellt hat. Wie der Ausstellungstitel bereits impliziert, handelt es sich hierbei um eine persönliche Auswahl, bei der die einzelnen künstlerischen Positionen nicht zwingend einen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen. Formale Berührungspunkte gibt es jedoch schon.
Wolfgang Flad, geboren 1974 in Reutlingen, lebt und arbeitet in Berlin
Der Künstler arbeitet als Maler und Bildhauer wobei die Verschränkung von Material und Inhalt eine zentrale Rolle spielt. Im Rahmen der Ausstellung präsentiert Flad Arbeiten aus der Werkserie dark side of the moon. Die in Bauschaumplatten geäzten Oberflächen hinter multichromatischen Glasscheiben verändern ihre farbliche und formale Erscheinung je nach Betrachter:innenstandpunkt und Lichteinfall stetig. Der Titel der Werkserie weist auf den symbolträchtigen Trabanten, dessen Kraterstruktur zu unserem kollektiven Gedächtnis gehört hin, auch wenn wir nur eine Seite von ihm sehen. Was uns verborgen bleibt, ist die dunkle Seite des Mondes. Dies steigert die Mystik des Narrativs und macht darauf aufmerksam, dass das was wir sehen, nicht alles umfasst, was in Wirklichkeit existiert.
Jay Gard, geboren 1984 in Halle (Saale), lebt und arbeitet in Berlin
Jay Gard schafft Werke, deren Bildsprache Ästhetik und Rationalität verbindet. Seine Arbeiten sind von einer strengen geometrischen Formensprache geprägt und konzeptionell aufgebaut. Gard verwendet vor allem Holz, Sperrholz und Stahl, deren Oberflächen er mit Industriefarben lackiert. Dabei können durchaus auch Schleifspuren, Winkel- oder Abmessungsberechnungen sichtbar bleiben, die auf den Arbeitsprozess hinweisen. Gards Werke umfassen sowohl raumgreifende Installationen als auch plastische Wandbilder. Seine Werke zitieren und ironisieren kunst-, kultur- und designgeschichtliche Codes. Gard interpretiert und kontextualisiert diese neu, indem er ihnen ihre ursprüngliche Bedeutung nimmt und sie zu Mustern, Bildelementen oder Formen werden lässt. Vielschichtigkeit und Dreidimensionalität spielen hierbei immer eine große Rolle. Diese erzeugt er wahlweise physisch in seinen Wandobjekten oder durch malerische Raffinesse in seinen Bildern.
Vanessa Henn, geboren 1970 in Stuttgart, lebt und arbeitet in Berlin
In ihren Installationen und Objekten verbindet die Künstlerin gekonnt formale Reduktion und spielerischen Witz. Ihre Motivik ist von Alltagsgegenständen inspiriert. Mit scharfsinnigem Blick filtert Henn jene Architekturelemente aus Ihrer Umgebung, die den Fluss der Öffentlichkeit regulieren, wie zum Beispiel Stege, Geländer oder Wegweiser. Diese fragmentiert sie, um sie so ihrem ursprünglichen Kontext zu entziehen und sie in einen bildhauerischen Diskurs zu überführen. In Ihren neuesten Werken kombiniert sie diese Elemente mit gefundenem und teils nachbearbeitetem Stein oder Beton. Auf spannende Weise verwischt die Künstlerin die Grenzen zwischen Bild, Skulptur und Rauminstallation, wobei die ursprüngliche Funktionalität der verwendeten Elemente in den Hintergrund und das formal-ästhetische Ereignis in den Vordergrund tritt. Sozusagen ein sytemimmanter bildhauerischer Diskurs, der charmant ironische auf unseren Alltag verweist.
Peter Krauskopf, geboren 1966 in Leipzig, lebt und arbeitet in Berlin
Der Künstler ist Maler aus tiefster Überzeugung und setzt sich intensiv mit Fragestellungen dieses Mediums auseinander. Mit dem Prozess des Übermalens verwirft, erneuert und verändert der er seine Werke stetig und erschafft somit sein eigenes Palimpsest. Schichten über Schichten werden mit Öl auf Leinen oder auf Papier aufgetragen und konservieren die Zeitlichkeit des künstlerischen Prozesses. In einigen Werkserien belässt Krauskopf es bei der additiven Schichtung von Farbflächen. In anderen entfernt er durch das Auskratzen mit verschiedensten Werkzeugen die zuvor aufgetragenen Schichten teilweise wieder und arbeitet sich so zum Ursprung seines Malprozesses zurück.
Anja Schwörer, geboren 1971 in Kandel, lebt und arbeitet in Berlin
Anja Schwörer widmet sich in ihren Werken dem Spannungsverhältnis von Ursache und Wirkung, Ordnung und Unordnung, systemischer Kontrolle und Zufall. Die von ihr verwendeten formalen Raster und Symmetrien sind elementare Modi zur Strukturierung und Organisation der Bildoberfläche. Gleichzeitig arbeitet die Künstlerin aber auch auf einer sinnlichen Ebene, bei der die Materialität Ihrer Werke eine wichtige Rolle spielt. Schwörer untersucht Eigenschaften und Beschaffenheit von Stoffen wie Baumwolle, Samt und Denim, insbesondere deren Texturen, haptische Qualitäten, Durchlässigkeit und Fähigkeit, Wasser, Farbe und Bleichmittel zu absorbieren. Schwörer faltet, klammert und schnürt die Stoffe und bringt sie anschließend auf Keilrahmen auf. Dabei folgt sie stets einer geometrischen Ordnung, entwickelt Strukturen, Rhythmen und Sequenzen.
Esther Stocker, geboren 1974 in Schlanders, Südtirol, lebt und arbeitet in Wien
Ihre Arbeiten beruhen auf geometrischen Grundprinzipien, die in rhythmischer Ausgewogenheit aufgebrochen werden. Durch die Reduzierung auf die Farben Schwarz, Weiß und verschiedene Graus treten die Störungen der festen Raster deutlich hervor und dynamisieren damit den Bildraum. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht der Dialog von statischen Systemen und den Abweichungen von eben diesen. Esther Stocker baut Ihre Bildsysteme streng nach dem dialektischen Prinzip auf, dass Chaos nur im Zusammenspiel mit Ordnung demonstrierbar ist. So sucht sie stets nach der Darstellbarkeit des Ungefähren in systemischer Funktionalität und der immanenten Vagheit von exakten Formen. Sie selbst sagt dazu: „Systemlosigkeit lässt sich nur durch Systeme beschreiben, sie ist Teil des Systems. Hinter einem Chaos ist immer auch eine Art Ordnung“.
FS.ART, 2023